Bonn

26. August 2015

Bundeskunsthalle
Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn

 

Tanztheater „Lebens(t)räume“ von und mit jungen Flüchtlingen

Ein junger Mann tritt auf die Bühne. Der Scheinwerfer geht an und beleuchtet sein Gesicht. Er beginnt zu erzählen. In seiner Muttersprache. Seine Worte klingen fremd. Seine Sprache ist wahrscheinlich den meisten im Raum unbekannt. Und dennoch versteht man, was er an diesem Abend den zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauern zu vermitteln versucht. Es ist eine Menge passiert. Seine Augen erzählen von Ängsten, seine Mimik berichtet von Wut, an einigen Stellen zittert seine Stimme. Vielleicht der Bericht seiner Lebensreise? Man kann sich in ihn hinein versetzen. Mitgefühl kommt auf. Dieser Moment birgt eine Erkenntnis: Es ist ein zermürbendes Gefühl, wenn man nichts versteht und dennoch alles begreift. Mit diesem Kunstgriff gelingt es, ein Verlorenheitsgefühl zu transportieren. Sprache muss also keine Barriere sein, wenn man einander begegnen möchte. Rahmatullah ist aus Afghanistan und spricht Persisch. Er ist ist an diesem Abend Schauspieler und Teil einer Theaterinszenierung des AsA e. V.

AsA e. V. – das bedeutet „Ausbildung statt Abschiebung“ und ist ein in Bonn ansässiger Verein, der sich um junge Menschen kümmert, die ganz allein nach Deutschland geflüchtet sind. Vier Hauptamtliche und rund 70 Ehrenamtliche helfen den Flüchtlingen mit viel Aufwand und wenig Mitteln, die Sprache zu lernen und bemühen sich, einen Ausbildungsplatz für sie zu finden. Dabei wird die Sprache nicht nur vermittelt, sondern auch erlebt. Anlässlich der Ausstellung VorBILDER gibt es davon Kostproben. Dieser Abend wird von zwei jungen Frauen, Diar John, Ehrenamtliche bei AsA, und Sara Ben Mansour, Hauptamtliche bei ASA, mit offensichtlicher Freude moderiert. Es wird viel getanzt, gelacht, gespielt, gesungen und sogar geweint. Heute präsentiert der Verein insbesondere die Ergebnisse der Projekte, die nicht die klassische Lernsituation (sprich Sprachkurse, die Lerngruppe oder den Förderunterricht) darstellen, sondern Projekte, die der Verein ergänzend durchführt. So gibt es Ausschnitte aus dem von und mit den Flüchtlingen gestalteten Tanztheater „Lebens(t)räume“ unter der Leitung von Carmen Martínez Valdés im Forum der Bonner Kunsthalle. Es folgen Ergebnisse einer Literaturwerkstatt, und kleine Kunstwerke, die im Rahmen eines in Kooperation mit dem Berufskolleg Rheinbach stattgefundenen Töpferkurses entstanden. Diplom Sozialarbeiterin Carmen Martínez Valdés, die Geschäftsstellenleiterin fördert ganz bewusst Projekte aus dem kulturellen Bereich und gibt damit auch vielversprechenden Künstlern Raum, sich zu entfalten. Künstlern, wie dem 21 jährigen Musiker Baryton aus Guinea, der mit seiner wunderbaren, vollen und warmen Stimme und dem stimmungsvollen Gitarrenspiel alle Zuhörer tief berührt.

Die Vorsitzende von AsA e. V., Karin Ahrens, liest voller Rührung Zeilen eines aus Afghanistan stammenden Flüchtlings vor. Waseem Daulatzai, der durch den AsA Verein Unterstützung erfahren hat, sagte einmal zu ihr: „Ich komme aus einem Land, in dem sich Muslime gegenseitig umbringen. Nun bin ich in Bonn bei AsA und habe Menschen getroffen, die mir in einem christlichen Land im Sinne des Islam helfen.“ Das Verdienstkreuz am Bande, das ihr kurze Zeit später für ihre Arbeit verliehen werden soll und auf das sie auf der Bühne angesprochen wird, rücke da in den Hintergrund und der Mensch, das was wirklich wichtig sei, käme zum Vorschein.
Es ist ein Abend voller Eindrücke, die in Erinnerung bleiben werden: die fast schon professionellen Darbietungen, das selbstbewusste, fröhliche und offene Auftreten der jungen Menschen und das große ehrenamtliche Engagement. Vor allem wird deutlich, wie wichtig und notwendig direkte, konkrete Hilfe für Flüchtlinge ist. Und wie wichtig es ist, dass gemeinnützige Vereine wie AsA e. V. gefördert werden. Die über die Jahre gewonnenen Erfahrungen, die diese Vereine sammeln, können auch für andere Kommunen oder Vereine hilfreich sein, die vor der neuen Aufgabe stehen, Flüchtlinge in kurzer Zeit zu integrieren. Deshalb sind die Kontaktaufnahme der Helferinnen und Helfer und der Austausch untereinander von unschätzbarem Wert für eine funktionierende Flüchtlingsarbeit.