Erfurt

26. Oktober bis 7. November 2015

Thüringen-Park Erfurt

Plakat der Ausstellung in Erfurt

Die Ausstellung ist nun in Erfurt. In Thüringens Landeshauptstadt gehen jede Woche tausende Bürger auf die Straße. Aufgerufen von der Thüringer AfD, demonstrieren diese Menschen gegen die Asylpolitik der Bundes- und Landesregierung. Sie rufen in lauten Sprechchören: „Wir sind das Volk!“. Diese Leute treffen sich, um allen in der Welt zu zeigen, wie wütend sie sind. Wütend auf die sogenannten Flüchtlinge, die gefährlich seien, wütend auf die Journalisten, die nur lögen und wütend auf die Politiker, die das Volk verrieten. Genauso unüberhörbar und empört treten am Tag der Ausstellungseröffnung im Einkaufszentrum Thüringen Park einige Besucher auf. Es sind Anhänger der Thüringer AfD und ihr Motto scheint zu sein: je lauter, desto besser.

Sachlich fundierte Argumente? Fehlanzeige! Absurde Verleumdungen reihen sich an Beleidigungen. An der Ausstellung mitwirkende Politiker wünscht man an den Galgen, andere an der Ausstellung Beteiligte werden beschimpft, weil sie „diese Verräter unterstützen“. Es wird gehetzt gegen Flüchtlinge, Politiker, gegen Mitarbeiter staatlicher Institutionen und gegen Privatpersonen, die anderer Meinung sind und dies öffentlich kundtun. Und wenn man nachhakt, dem Gegenüber eine Chance gibt: Woher kommen diese Zahlen? Keine Antwort. Welche Studie soll das sein? Keine Antwort. Hektisch holt einer der Männer sein Smartphone raus und scrollt und scrollt und scrollt mit seinem Finger über das Display. Heraus kommt dabei: nichts. Keine Fakten, keine Denkanstöße, keine Ideen. Nur Hass. Keine Sachebene ist möglich. Die Wut scheint ein ständiger Begleiter. Der Maas habe ja noch nicht mal eine richtige Ausbildung, ruft einer der Männer etwas verzweifelt. Seine Arme fuchteln wild umher, der Blick ist aggressiv, keine höfliche Distanz wird mehr gewahrt. Bedrohlich wirkt er in seinem Auftreten. Was ist bloß los mit diesen Menschen? Wem lauft ihr da jede Woche hinterher? Wem sprecht ihr nach? Wem applaudiert und jubelt ihr zu? Augen auf!

Es gehört zu unserer politischen Kultur, Streitgespräche zu führen, aber damit ein wirklicher Austausch stattfinden kann, muss man einander zuhören, Fragen zulassen. Und vor allem sollten sachliche Argumente im Mittelpunkt stehen, keine Pauschalierungen, keine nicht belegbare Behauptungen. Das sollte für beide Seiten gelten. Auch für die sogenannten Wutbürger. Bei all dem Hass sollte man sich fragen, was man selbst zu einer funktionierenden Gesellschaft beitragen könnte.

Zu diesen ganz lauten, wütenden Stimmen findet die Thüringer Ministerin für Jugend, Sport und Integration Frau Dr. Birgit Klaubert an diesem Nachmittag die richtigen Worte: „Die Stimme der Wahrheit ist leise, aber machtvoll.“ Es sei richtig, nicht dagegen anzuschreien, sondern andere Wege zu suchen, um der Wahrheit Gehör zu verschaffen. Bilder und Texte gegen wütenden Protest sei ein Kontrast, aber gerade deshalb besonders wirkungsvoll, so die Politikerin.

Das sieht Christiane Bernuth, Präsidentin der Deutschen Soccer Liga (DSL), ähnlich. In Ihrer Ansprache zitiert sie ihre Kollegin Katharina Wenk: „Die Verwirklichung von Chancengleichheit ist ein Ideal und eine Vision. Grundlegend für die Herangehensweise der DSL ist es, in dieser Vision nicht nur ihre Unerreichbarkeit zu sehen, sondern ihre Grundsätze als Chance zu begreifen, für Menschen etwas zum Positiven zu verändern, indem sie in ihren Wirkungsfeldern für einen vielfaltsbewussten Umgang sensibilisiert und Verbindungslinien sichtbar macht.“ Christiane Bernuth hatte sich um die VorBILDER bemüht, damit diese in Erfurt gezeigt werden können. Im Zuge der Ausstellung hat sie Workshops organisiert und betreut. Workshops, die die Integration von Jugendlichen verschiedener Nationen und Religionen fördern. Die Ausstellung dient hierbei auch als ein Lernmittel. Nach einem Ausstellungsrundgang überlegen die Jugendlichen gemeinsam, was für sie ein Vorbild ausmacht. Die 16-jährige Schülerin Charlotte bringt es mit ihren eigenen Worten auf den Punkt: Für sie müssten Vorbilder nicht in Geschichtsbüchern stehen.

Die prominenten Gäste sind heute gekommen, um Flagge für Toleranz und Vielfalt zu zeigen und um gegen die Angst und die Wut anzukämpfen. Auch der Direktor des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, Dr. Andreas Jantowski, ist da. Er spricht an, was in Erfurt gesagt werden muss: „Nicht mehr toleriert werden kann es, wenn behauptet wird, Masseneinwanderungen wäre eine Form schleichender Zerstörung unserer Gemeinschaft, wie es manche rechtsextreme Polemik tut.“ Hier werde mit der Sehnsucht nach Einfachheit und Vertrautheit einer Gemeinschaft gespielt, die bei genauerer Betrachtung eine völkische Gemeinschaft propagiere, die es nicht gäbe und die nur mit willkürlicher und brutaler Ausgrenzung zu schaffen sei, sagt er und betont: „In so einer Gemeinschaft könnte niemand sicher sein, dass er dazugehört. Und wenn man schon als dazugehörig eingestuft würde, so müsste man bangen, denn jederzeit könne man mit dem Makel nicht würdiger Abstammung entfernt werden. Das sagen diejenigen allerdings nicht, die den Begriff der kulturellen Identität missbrauchen, weil ihnen die Vielfalt und Komplexität der Gesellschaft zuwider ist.“

Der stellvertretende Direktor der PARITÄTISCHEN BuntStiftung, Stefan Werner zeigt sich betroffen über den momentanen politischen Diskurs, der in Erfurt stattfindet. Er beteiligt sich heute am mobilen Fotostudio MeinungsBILDER und seine Aussage ist: „Offen, vielfältig, tolerant – für Mitmenschlichkeit und eine offene Gesellschaft! Die rote Karte für Rassisten!“

Auch Vertreter der Thüringer Landespolizei sind zugegen. Professor Dr. Thomas Ley, Leiter der Stabsstelle Polizeiliche Extremismusprävention, hält seine Botschaft in die MeinungsBILDER-Kamera: „Ich bin gegen Hass und Gewalt“ steht auf seinem Plakat. Das ist die richtige Botschaft für diesen Tag.

Kathrin Hoyer, die Beigeordnete für Wirtschaft und Umwelt in Erfurt, freut sich über die VorBILDER in Erfurt und spricht darüber, wie wichtig der Sport für die Integration sei: „Sport verbindet. Wer jemals Olympische oder Paralympische Spiele erlebt hat, in der das friedliche, fröhliche und respektvolle Miteinander gelebte Normalität sind, möchte diese Erfahrungen nie mehr missen, er möchte sie teilen.“ Sportler seien auf der ganzen Welt zu Hause, in Trainingslagern, auf Wettkämpfen, in sozialen Netzwerken. Diese Weltoffenheit präge, sagt die Politikerin.

Die Thüringer Polizei führte im Rahmen der VorBILDER zwei eigene Veranstaltungen durch. Unter Leitung der Stabsstelle Polizeiliche Extremismusprävention der Landespolizeidirektion Thüringen, trafen sich am 28.10.2015 im Thüringen Park Vertreter der Fanprojekte Jena und Erfurt, Mitglieder des Vereins „Spirit of Football“ sowie Vertreter des Vereins Drudel 11 e. V., die sich u. a. mit dem Ausstieg aus Rechtsextremismus und Gewalt beschäftigen. Hierbei wurden Begegnungen ermöglicht, und Präventionsarbeit geleistet. Am 04.11.15 wurde im Thüringen Park unter dem Titel „Extremismus und Gewalt – Eine Präventionsveranstaltung der Thüringer Polizei“ das Thema Rechtsextremismus speziell aufgegriffen. Hierbei diente ein Präventionsstand der Aufklärungsarbeit.
Auch die Deutsche Soccer Liga (DSL) führte im Ausstellungszeitraum mehrere Veranstaltungen durch: am 26. und 30. 10. sowie am 05.11.2015 arbeitete sie mit jungen Menschen, darunter auch einer Gruppe von Flüchtlingen, im Rahmen des Workshop „Euer Bolzplatz gegen rechts“, den die DSL für das Bundesministerium des Innern konzipiert hat. Er richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die sich mit Rassismus und Ausgrenzung auseinandersetzen und dann einen Trickfilm dazu erstellen. Die Jugendlichen waren mit Begeisterung und als Team bei der Sache, Herkunft und Aufenthaltsstatus hatten für sie nichts Trennendes.